Kirchturm St. Jakob Schwandorf

Der Kirchturm erhebt sich an der Spitze des dreieckig angelegten Marktplatzes. Er ist heute mit der Südseite des Kirchenschiffes verbunden.

Die in Stein gehauene gotische Jahreszahl 1483 über der ebenfalls gotischen Eingangspforte sieht man gern als Baujahr des Turmes. Doch das Bauwerk ist wesentlich älter.

Einst stand der Turm vollkommen frei. Er muß also eine andere Zweckbestimmung gehabt haben. Das Bauwerk erhebt sich auf dem ehemaligen Burgberg und wird wohl auch Bestandteil der alten Schwandorfer Burg gewesen sein. Im 15. Jahrhundert hatte die Befestigung ihre Zweckbestimmung innerhalb einer ummauerten Stadt verloren.

Aus einer Urkunde vom 6. Dezember 1459 wissen wir, daß an einer Stadtmauer gebaut wurde. Am höchsten Punkt der Stadt errichtete man den Blasturm. Er war vor 1494 vollendet gewesen und wurde 1555 als Neuturm bezeichnet. Vielleicht hatte der Blasturm schon einen Vorgänger als „Lug ins Land“. Damit kann die Bezeichnung des Wachturmes als Neuturm im Verhältnis zum Altturm, dem Turm der Veste, erklärt werden.

Das Kirchenschiff von St. Jakob rückte erst in der zweiten Bauperiode, 1470, in Richtung des mächtigen Turmes der ehemaligen Veste vor. Da dieser durch den Neubau des Blasturmes seine Funktion verloren hatte, konnte er 1483 seiner neuen Bestimmung als Kirchturm zugeführt werden. Dazu mußte im Erdgeschoß ein neuer Zugang geschaffen werden.

In der ältesten, bisher bekannten Ortsansicht Schwandorfs, entstanden 1536/37 bei der Reise des Landesfürsten Ott-Heinrich nach Krakau, ist genau diese Situation erkennbar: Auf dem mächtigen rechteckigen Unterbau der Veste wurde eine runde Erhöhung des Turmes aufgebaut. Nach oben schloß ein Kegel das Bauwerk ab.

Das barocke 17. Jahrhundert paßte den Turm entsprechend seiner Lebenshaltung an. Als erster zeigt uns Christopher Vogel in seiner Karte von 1600 das Aussehen des Turmes. Der runde Aufbau wurde samt dem Turmabschluß entfernt. Eine neue barocke Zwiebel bildet nun den Abschluß. Bereits 1630 wurde eine Reparatur fällig. Aus der erhaltenen Rechnung wissen wir, daß man 40.000 Schindeln, Zinnblech und rote Farbe benötigte.

Diese Zwiebel blieb bis zum 31. Mai 1856 bestimmend. An diesem Tag warf ein Wirbelsturm von Westen kommend den Turmaufbau herab. Der stürzende Dachstuhl zerschmetterte auf dem Kirchplatz und beschädigte dabei auch noch die ehemalige, inzwischen profanierte, Pfarrkirche St. Anna.

Bei der Reparatur des Schadens setzte man neue Akzente für den Turm. Anstelle der Zwiebel bildete nun ein steiles Pyramidendach den Abschluß. Kaum waren die Bauarbeiten abgeschlossen, schmiedete man Pläne die Pfarrkirche um zwei Joche nach Westen zu verlängern. Durch die großzügige Spende des Bürgermeisters Christian Augustin in Höhe von 15.000 Gulden konnte das Vorhaben am 1. Juni 1867 in Angriff genommen werden. Der bisher isoliert stehende Kirchturm wurde dabei durch eine Blindmauer mit dem Kirchenschiff verbunden.

Noch im ersten Jahr seiner Anwesenheit, 1913, mußte der neu ernannte Pfarrer Josef Scherr die Generalüberholung des Kirchturms in Angriff nehmen. Die Schäden an der Spitze duldeten keinen weiteren Aufschub. Es kamen die Pläne des Architekten Heinrich Hauberisser (1872 – 1945) zur Ausführung. Der Turm erhielt eine mit Kupferblech eingedeckte barocke Zwiebel mit Laterne. Dabei wurde das Mauerwerk auf Anregung der Stadtverwaltung um einige Meter in die Höhe gezogen. Im September 1914 waren die Bauarbeiten soweit vollendet, daß das Gerüst abgebaut wurde. Dem Beschauer des neuen Wahrzeichens der Stadt bot sich ein farbenfrohes, ornamentales Fresko des Kunstmalers Georg Köllnsperger aus München dar. Zu beiden Seiten des unteren, gemalten Ziffernblattes, das ein echtes vortäuschen sollte, erhoben sich die vier Meter hohen Figuren St. Wolfgang und St. Emmeram. Bei der Reparatur von 1926 ging das Fresko bereits wieder verloren.

Im Jahre 1940 war der Außenputz der Pfarrkirche erneut in einem bedenklichen Zustand. Am  31. August starteten die Arbeiter mit dem Aufstellen des Gerüstes. Doch am 1. September begann der zweite Weltkrieg und noch am gleichen Tag wurden die Arbeiten am Gerüstbau wieder eingestellt.

Neun Jahre später, am 15. Juni 1949, konnten die dringend notwendigen Arbeiten begonnen werden. Zwölf Tage dauerte es, bis das Holzgerüst die Spitze des Turms erreichte. Der außerordentlich warme und trockene Sommer begünstige die Bauarbeiten. Bei dieser Baumaßnahme wurden die Verschlauderungen im oberen Turmteil eingebracht. Im Abschlußbericht liest man, daß gerade diese Maßnahme sehr wirksam ist. „Jedoch die Tatsache, daß das in diesem Bereich das 1,5 Meter dicke Mauerwerk zweihauptig ausgeführt wurde und der Zwischenraum nur mit losen Bruchstein und Mörtel gefüllt ist, stellt die dauerhafte Beseitigung der Rißbildung in der Folgezeit in Frage.“

Im Mai 1983 stand die Trockenlegung der Grundmauern der Pfarrkirche und der vollständige Neuverputz an. Auch der Turm war in die Baumaßnahme einbezogen. Die Kugel über der Laterne wurde neu vergoldet. Diese sieht von unten so klein aus, erwies sich tatsächlich in Eiform mit einem Durchmesser von 70 cm und einer Höhe von 1 Meter. Das 2,60 Meter große Turmkreuz war so schadhaft, daß es durch ein neues ersetzt werden mußte.

Im Jahre 2008 werden es 625 Jahre, daß der Turm als Kirchturm Verwendung findet. Die Vorhersage von 1949 ist nun eingetreten: Es zeigen sich erneut Risse, die der Reparatur bedürfen. 625 Jahre Kirchturm bedeutet daher: 625 Jahre Wahrzeichen für die Kirche und Stadt. Aber auch: 625 Jahre Sorge um den Erhalt des Bauwerks.
 

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